Was erwarten wir wirklich?
Liebe Leserin, lieber Leser!
Diese letzten Tage vor Weihnachten, vom 17. bis 23. Dezember, werden auch „Hoher Advent“ genannt und haben eine besondere liturgische Prägung. In der Vesper, dem Abendgebet, werden an diesen Tagen zum Magnificat die „O-Antiphonen“ gebetet. Diese uralten Rufe beschreiben eine von Tag zu Tag steigende Erwartung, denn immer drängender wird der ersehnte Heiland angerufen:
O Weisheit – O Herr – O Wurzel Jesse – O Schlüssel Davids – O Morgenstern – O König der Völker – O Immanuel.
Und jede dieser Antiphonen enthält die beinahe flehende Bitte „O komm!“.
O Immanuel – o Gott mit uns – komm.
So heißt es am 23. Dezember. An einem Tag, der oft noch hektisch ist, an dem noch viele Erledigungen anstehen.
Ein Tag, an dem es für viele wenig besinnlich zugeht.
Mitten in diesem hektischen Alltag wird Immanuel, Gott mit uns, angerufen, zu uns zu kommen. Zu den Menschen im sprichwörtlichen Weihnachts- und Jahresend-Stress.
Zu Menschen, die sich auf Weihnachtsmärkten tummeln, Freunde und Bekannte treffen und einfach eine schöne Zeit verbringen.
Zu den Menschen, die bei Tee, Plätzchen und Kaminfeuer Ruhe und Gemütlichkeit suchen.
Und auch zu den Menschen, die die Furcht vor diesen Tagen umtreibt, weil sie allein sind oder bedrückt.
In den Trubel und in den Alltag.
In unser Leben, das Gott ganz konkret mit uns teilen möchte.
So konkret, dass er selbst in Jesus Christus Mensch wurde. Ganz und gar „Immanuel“, ganz und gar „Gott mit uns“.
Und wir alle sind eingeladen, diese letzten Tage des Advents und auch das Weihnachtsfest selbst zu nutzen, um uns zu fragen, was wir an diesem Fest (und darüber hinaus) wirklich erwarten.
Mich bewegt in jedem Jahr aufs Neue ein Wort der Heiligen Edith Stein.
In, wie ich finde, eindrücklicher Weise blickt sie über Weihnachten hinaus und spannt einen Bogen vom ersten Hoffnungslicht der Krippe hin zu Ostern:
„Auf den Lichtglanz,
der von der Krippe ausgeht,
fällt der Schatten des Kreuzes.
Das Licht erlischt im Dunkel des Karfreitags,
aber es steigt strahlender auf
als Gnadensonne am Ostermorgen.“
Nur weil Weihnachten war, konnte Ostern werden. Jesus Christus musste als Mensch in die Welt kommen, um uns durch seinen Tod und seine Auferstehung zu erlösen. Dichter und hoffnungsvoller kann man diesen großen Blick von Weihnachten bis Ostern wohl kaum ausdrücken, als es Edith Stein in ihren Worten getan hat.
Mit diesen Gedanken lade ich Sie ein, der ganz am Anfang gestellten Frage einmal bewusst nachzugehen und sich davon berühren zu lassen:
„Was erwarte ich wirklich?“.
Ich glaube, dass unser Herz die Antwort schon erahnt:
O Immanuel – o Gott mit uns – komm.
Mögen diese letzten Tage des Advents und auch die Weihnachtstage Platz für all dies bereithalten: Für alle noch notwendigen Erledigungen, für Geselligkeit und Gemütlichkeit, für Besinnlichkeit und Nachdenklichkeit.
Für liebgewonnene Traditionen, schöne Stunden im Kreise lieber Menschen, für die Freude, die dieses wunderbare Fest schenkt. Wie schön wäre es, wenn wir auch Gelegenheit fänden, unsere Weihnachtsfreude mit Menschen zu teilen, die allein oder bedrückt sind und sich über einen Besuch, einen Anruf oder einen anderen Gruß freuen würden.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und allen Menschen, die Ihnen nahestehen – auch im Namen des gesamten Pastoralteams und des Verwaltungsteams – von Herzen frohe und gnadenreiche Weihnachten sowie einen guten Übergang in ein gesegnetes neues Jahr 2026.
Herzlich
Jasmin Jung
Gemeindereferentin