Von tröstenden Luftballons und schmerzhaftem Wandel
PODIUMSVERANSTALTUNG ZU TOD UND TRAUER
LIMBURG | Er steht uns allen bevor. Er gehört zum Leben. Er ist dennoch ein großer Unbekannter: der Tod. Um den Abschied aus dem Leben, um Trauer und auch um ganz praktische Fragen zur Bestattung ging es bei einer Podiumsveranstaltung der Katholischen Erwachsenenbildung Limburg und Wetzlar, Lahn-Dill-Eder (KEB). Rund 70 Interessierte waren auf Einladung der KEB ins Bestattungszentrum Kirchberg gekommen.
Auf dem Podium: die katholische Trauerseelsorgerin Maria Horsel, die freie Trauerrednerin und Buchautorin Louise Brown und der Bestattermeister Benedikt Kirchberg. Der konnte gleich eingangs mit vielen praktischen Fakten rund um den Tod für Klarheit sorgen. „Wir sprechen von Verstorbenen, nicht von Leichen“, betonte er und auch, dass die Bestatter oft die ersten Ansprechpartner für Hinterbliebene nach Eintritt des Todes sind. Dieser passiert immer seltener zu Hause, führte der Fachmann weiter aus, meist sterben Menschen im Krankenhaus, im Hospiz oder im Seniorenwohnheim. Sollten die Angehörigen wünschen, dass das verstorbene Familienmitglied noch im Haus und im Kreis der Lieben bleibt, so ist das gesetzlich nur 36 Stunden lang nach der amtlichen Feststellung des Todes durch einen Arzt oder eine Ärztin möglich. Je nach den Bedingungen vor Ort rät er aber davon ab: „im Sommer geht das nicht so lange“.
SCHWIERIGE SITUATIONEN MEISTERN
Kirchberg, der den Familienbetrieb mit fast hundertjähriger Geschichte gemeinsam mit seiner Schwester Katharina Höhler leitet, berichtete auch von herausfordernden Situationen seines Berufs. Etwa, wenn er zu einem Unfall gerufen wird, oder wenn er Verstorbene abholt, die einsam und alleine lebten und deren Tod lange von niemandem bemerkt wurde. Dann ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, welche physikalischen oder chemischen Prozesse auf den Körper des verstorbenen Menschen eingewirkt haben. Wenn man solche Momente erlebt und feststellt „ich kann das, es erfüllt mich sogar“, dann ist es laut Fachmann geradezu eine Pflicht, Bestatter zu werden. Seit 2003 ist es ein Ausbildungsberuf.
Auferstehung?
Die Seelsorgerin Maria Horsel erläuterte, dass sie teils noch vor den Bestattern mit Hinterbliebenen in Kontakt ist. Wird sie zu einem Trauerfall dazu gebeten, findet zunächst ein ausgedehntes Gespräch mit Angehörigen statt. Der größte Teil davon ist das Erzählen vom Verstorbenen, denn schon das ist aktive Trauerarbeit. „Ich bestatte auch, wenn jemand aus der Kirche ausgetreten ist“, versicherte Horsel, Hauptsache sei, dies sei im Interesse des Toten. Die Dienste der katholischen Seelsorgerin sind übrigens kostenlos, im Gegensatz zur Arbeit der freien Trauerredner. Auf den Hinweis des Moderators Meinhard Schmidt-Degenhard, dass laut jüngsten Untersuchungen nur noch jeder zweite in Deutschland an eine Auferstehung glaubt und je älter man ist, desto weniger, konnte Horsel erwidern, dass sie dies auch beobachtet. Im Zusammensein mit jungen Menschen stelle sie immer wieder ein großes Interesse an Mystik und Spiritualität fest. Dass nach dem Ableben etwas vom Verstorbenen weiter präsent ist, sei gut. Aber der christliche Glaube an Auferstehung meint mehr, so Horsel. „Gott bewegt uns im Tod zu neuem Leben – aber das ist dann nicht wie ein Klassentreffen“, vielmehr begegnet sich das, was sich liebt, wieder, so die Seelsorgerin. Die Hoffnung auf die Auferstehung verbindet und man fühlt sich in der gemeinsamen Sehnsucht danach eingebettet, so die Religionspädagogin.
Was tun gegen die Angst?
Die Journalistin und Autorin Louise Brown, die britische Wurzeln hat und mit ihrer Familie im Hamburg lebt, ist nach dem Abschied von ihren Eltern, die rasch aufeinander aus dem Leben schieden, zur Trauerrednerin geworden. „Ich wusste erst nicht, was Trauer mit einem machen kann, seelisch und auch körperlich“, so Brown. Nie war das Sterben und der Tod in der Familie thematisiert worden und sie kannte keine Worte, um ihren Verlust zu benennen. Aber schlimme und schmerzhafte Erlebnisse lassen sich wandeln, ist die Autorin überzeugt. Heute beispielsweise ist die Beteiligung der Angehörigen an der Trauerfeier viel größer als noch vor einigen Jahren. Gerade neulich hat sie bei einer Beisetzung gesprochen, bei der für den Verstorbenen eine Menge weiße Luftballons in den Himmel gestiegen sind: „Das war für die Witwe ein unglaublich tröstender Moment“. Sie empfiehlt, bereits zu Lebzeiten Notizen vom eigenen Leben zu machen und über die eigene Trauerfeier nachzudenken, denn es sind nicht nur die Angehörigen, die sich verabschieden, es ist auch ein Mensch, der sich aus dem Leben verabschiedet.
Einig waren sich alle, dass die Ängste vor dem Sterbe und dem Tod nur dann kleiner werden können, wenn man darüber spricht. Wenn man Worte findet für die eigenen Gefühle und die Ängste mit anderen teilt, schafft dies Verbundenheit, die tröstlich ist. Vielleicht ist auch Humor ein Element, das Angst nehmen kann. „Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der es erlaubt ist, im Kontext von Tod auch mal zu lächeln“, fasste Louise Brown abschließend zusammen.
Annette Krumpholz